Reinreden (lassen)

Weil mir gestern mal wieder ein Fahrgast erklären wollte, wie ich meine Arbeit (Nämlich von A nach B fahren) machen soll, habe ich mich an einen Blongeintrag von der Irrlichterkette erinnert: „15 Tipps für Blogger mit normal großem Ego„. Damit möchte ich mich heute näher beschäftigen. Heißt: Ich greife mir einzelne Punkte heraus und gebe meinen Senf dazu ab, so wie ich die Dinge sehe. Wer daraus allgemeingültige Thesen ableiten will, darf das selbstverständlich gerne tun.

Ich schreibe die Einleitung lieber noch mal, denn jetzt wo der Eintrag fertig ist, klingt das doch ein wenig unsachlich und das will ich nicht. Ich finde es generell schwierig, wenn sich jemand so weit aus dem Fenster lehnt, wie Sebastian a.k.a Raventhird es in seinem Blogpost „15 Tipps für Blogger mit normal großem Ego“ meines Erachtens tut. Ich las den Artikel und verfiel sofort in eine Art „Red mir nicht rein, wie ich mein Blog schreiben soll“-Beißreflex. Deshalb möchte ich mich mit einzelnen Punkten kritisch auseinandersetzen und hoffe, dass so eine sachliche Diskussion entsteht.

Eigener Content

3. Erschaffe Deinen eigenen Content, klaue nicht einfach nur was aus dem Netz zusammen und Copy&Paste es in ein WordPress-Backend. Das kann jeder Idiot. Falls Du dennoch ernsthaft über Fundstücke bloggen willst, dann suche Dir wenigstens eine noch unbesetzte Nische und finde sehr originelle und hochwertige Inhalte dazu.

Ich stimme mehr oder weniger zu. Eigener Content ist wichtig und gut. Anderer Leute Ideen 1:1 übernehmen und damit Content Farmen für exzessives Backlinking zu betreiben ist großer SEO-Mumpitz und gehört verboten. Anders sieht es aber zum Beispiel mit Videos aus. Wenn ich zum Beispiel eine Sensation von A Capella-Gesang finde oder eine Coca Cola-Werbeaktion mag – warum soll ich den Kram dann nicht hier einbinden? Streng genommen fällt das ebenfalls unter Sebastians Definition von aus dem Netz zusammengeklautem Content, der in ein WordPress-Backend ge-Copy & Paste-t wurde. Hier muss also genauer differenziert werden: Es gibt Content, der zum Teilen gedacht ist; Dinge, die jeder in seinem Blog verwenden soll. Sonst gäbe es keine Virals auf der Welt und keine „Einbetten“-Funktion bei Youtube.

Blöd finde ich auch den letzten Satz: Warum muss jeder Blogger eine „noch unbesetzte Nische“ haben, in der er sich bewegt? Die Zahl der Nischen ist endlich, warum scheint das niemand zu bemerken? Ich habe das Gefühl, dass man als Blogger nicht ernstgenommen werden kann (und wohl auch darf), wenn man sich nicht auf eine bestimmte Nische spezialisiert. Ich zum beispiel könnte das gar nicht, weil ich dafür zu vielseitig interessiert bin. Wahrscheinlich habe ich damals, als ich mit bloggen anfing, einfach nur den Trend verpasst.

Schreibstil

7. Benutze das Wort „Ich“ nicht permanent in Deinen Postings, es sei denn, Du schreibst literarische Texte in der ersten Person Singular oder erlebst wirklich spannende Sachen, die sich nicht verallgemeinern lassen.

Was? Ich soll in meinem eigenen Blog, in dem es um nichts anderes geht, als um mich, meine Erlebnisse, Gedanken, Ideen und kreative Einfälle (durchsetzt mit witzigen Youtube-Videos und Kommentaren über allgemeine Bloggerei-Geschichten, Nerdkram und Filmschauplätze) auf das Wort „ich“ verzichten? Warum sollte ich das tun? Insbesondere dann, wenn ich meine Meinung zu einem Thema kundtue, ist das Wort „ich“ eminent wichtig. Nur so wird klar, dass es um meinen persönlichen Standpunkt geht. Nur so kann ich mich von der Meinung der anderen (und wenn es sein muss auch von der des Autors eines Blogeintrages) abgrenzen. Daher: You put the „ich“ in „verzichten“, I put the „ich“ in „wichtig“.

Werbung

12. Schalte keine oder nur sehr dezente Werbung. Werbung sieht auf Deinem Blog scheiße aus, das weißt Du doch selbst, und auf die hundertvierundfünfzig Kröten im Monat kannst Du verzichten. Wenn Du generell nur bloggst, um (irgendwann) Geld damit zu verdienen, dann gestehe Dir ein, dass das Ganze eine ziemlich dumme Idee war. Eine Imbissbude zu eröffnen ist in 99 von 100 Fällen deutlich lukrativer.

Blödsinn. Ich habe es an anderer Stelle schon mehrfach formuliert: Wer in seinem Blog Werbung schalten möchte, der soll das um Himmels Willen tun dürfen. Werbung mag scheiße aussehen und den Textfluss zerstören – für das gestalterisch geschulte Auge sicher alles valide Argumente, aber: Jeder ist seines Glückes Schmied und noch wichtiger: Jeder ist seines Bloges Art Director. Wer Serverkosten zu refinanzieren hat oder sich von seinem Hobby ein kleines Zubrot erhofft, der soll Werbung schalten dürfen. Und Affiliate-Links und alles was er will. Abgesehen davon: Wenn ich jemals auch nur annähernd 154,- € im Monat nur mit Werbung in meinem Blog verdient hätte, würde ich jetzt immer noch vor Freude nackt um’s Haus laufen.

Was lange währt…

4. Lass Dir Zeit bei dem, was Du schreibst. Ein Blog ist nicht schneller als eine Zeitung, das ist ein Mythos. Ein Eintrag wird so lange existieren und von Suchmaschinen und Lesern gefunden werden, wie Dein Blog existiert, also veröffentliche ihn erst, wenn Du wirklich zufrieden damit bist.

Volle Zustimmung. Ein Punkt, den ich mir selbst mehr zu Herzen nehmen sollte, denn ganz oft veröffentliche ich etwas in meinem Blog, dass gefühlt nur halbfertig ist. In solchen Momenten habe ich einerseits keine Zeit mehr, den Eintrag zu Ende zu denken und andererseits spüre ich einen gewissen Veröffentlichungsdruck. Posten um des Postens Willen möchte ich in Zukunft eher anderen überlassen. Am besten denen mit zu viel Zeit, die den ganzen Tag vor ihrem Feedreader sitzen und hoffen, das irgendwas bloggenswertes passiert.

Wie siehst du das? Was sind Deine Tipps für „richtiges“ Bloggen? Ich freue mich über Kommentare zum Thema.

3 comments on Reinreden (lassen)

  1. You put the “ich” in “verzichten”, I put the “ich” in “wichtig”.

    Nach dem ich mir nun auch die 15 Tipps durchgelesen habe, muss ich zuerst mal meine Zustimmung zu diesem Artikel hier zum Ausdruck bringen.
    Die sogenannten Tipps haben zwar keinen Beißreflex ausgelöst, eher die Erkenntnis, dass es für (private) Blogger nur einen Punkt gibt, den ich uneingeschränkt unterstütze, nämlich Tipp 1:

    Schreibe, was immer Du willst

    (und habe nur ich den Eindruck, dass der Autor in allen folgenden Punkten sich selbst in diesem ersten widerspricht?).

    Das mit dem eigenen Content sehe ich wie Du Jörn, hier muss differenziert werden. Ich selber habe bisher weitgehend darauf verzichtet, Videos aus anderen Quellen einzubinden. Dennoch ist vor Kurzem eine Rubrik in meinem Blog entstanden, in der ich die Fundstücke der Woche, die es sonst bei mir nicht über Twitter und/oder Facebook hinaus schaffen, aufliste. Einerseits, um auch die Besucher des Blogs daran teilhaben zu lassen, aber ehrlicherweise auch, um auftretende Lücken zu überbrücken und aktuellen Content anbieten zu können, wenn mir mal nicht einfällt.

    Was den Schreibstil angeht, kann ich nur auf das von mir gewählte Eingangszitat verweisen.

    Werbung. Muss jeder für sich entscheiden. Ich teste das noch weiter und bin mit der Tatsache, dass das in einem Jahr gerade so die jährlichen Hostinggebühren wieder reinbringt, ganz zufrieden. Die Grenze für’s vor Freude Nackt um’s Haus rennen liegt da WESENTLICH höher.

    Was lange währt…
    Ich habe für mich selbst festgestellt, dass sich selbst unter Druck zu setzen und um jeden Preis regelmäßige Postings rauszupressen weder der Qualität, noch dem eigenen Wohlbefinden zuträglich ist. Ich habe das besonders bei meinen Podcasts bemerkt und den Druck einfach von mir genommen.

    Ich lese verschiedene Blogs mehr oder weniger regelmäßig zu den unterschiedlichsten Themen. Aber noch nie habe ich mir Gedanken darüber gemacht, ob das, was ich da lese „richtiges“ Bloggen ist. Wenn es mich anspricht, ist das schon in ordnung so. Egal, ob mit oder ohne Werbebanner, in der Ich-Form, Nische- oder Pop. Richtig ist, was mich weiterlesen, weiterhören und weitersehen lässt.
    Was ich mache, gefällt auch nicht jedem – na und? Ich muss keiner Zielgruppe ihre Erwartungen erfüllen. Jeder Leser darf entscheiden, ob er oder sie zu meiner Zielgruppe gehören will.
    Ich bin ich und ich schreibe, was immer ich will.
    I put the ich in wichtig too.

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