Vorschusslorbeeren

Kommerzielles Lokalradio in Schleswig-Holstein ist lange überfällig und noch längst nicht am Start. Bisher gibt es nur eine Entscheidung der Medienanstalt Hamburg-Schleswig-Holstein, wonach als erstes kommerzielles Lokalradio Syltfunk auf Sendung gehen darf. Gestartet ist es auf UKW noch nicht, der Sendebetrieb läuft zunächst im Internet weiter. Und doch macht die Entscheidung dem privaten landesweiten RSH offenbar große Angst. So große Angst, dass sie Senderaushängeschild und Sympathieträger Carsten Köthe von Sylt für Sylt senden lassen:

Carsten Köthe hat Wort gehalten und pünktlich zum Ferienstart die Katze aus dem Sack gelassen! Carsten wird künftig bei R.SH eine eigene Sendung von Sylt für Sylt moderieren! „Damit schlag‘ ich gleich zwei Fliegen mit einer Klappe. Ihr wisst ja, dass die Insel mittlerweile meine zweite Heimat geworden ist und ich mit meiner Frau Miriam gerne Zeit dort verbringe UND wir können uns bei der Gelegenheit wieder jeden Tag bei R.SH hören, ihr Lieben!“, schmunzelt Carsten. Seine neue Sendung heisst: „R.SH auf Sylt mit Carsten Köthe“ und läuft ab Mitte August täglich von Montag bis Freitag von 10-14 Uhr auf der Sylter UKW-Frequenz von R.SH (102.8).

Eine regionalisierte Spezialsendung exklusiv für die Insel der Reichen und Schönen unmittelbar bevor ein vermeintlicher Konkurrent dort die Bühne betritt. Das sind riesengroße Vorschusslorbeeren für das kleine Team von Syltfunk. Nach meiner Einschätzung wird RSH es nicht dabei belassen, ausgerechnet das ehemalige Zugpferd Carsten Köthe von der Insel senden zu lassen. Ich denke, dass schon unmittelbar nach der Entscheidung der MA HSH deutlich mehr Vertriebsaktivität aus dem Kieler Funkhaus auf Sylt zu verzeichnen war, als jemals zuvor.

Carsten Köthe hatte sich nach einem Krebsleiden zunächst aus der Morningshow des Senders zurückgezogen, die er lange moderiert hatte. Nach seiner Genesung war er zunächst am Nachmittag wieder auf Sendung, kündigte dann aber an, sich umorientieren zu wollen. Schon damals war die Rede davon, dass es etwas völlig neues und perfekt auf ihn zugeschnittenes geben werde. Daran werde bereits gebastelt und die Hörer möchten sich doch in Geduld üben.

Vom 17. August an soll Köthe nun werktäglich live von der Insel zu hören sein. Ein nicht unerheblicher Mehrwand für RSH, denn wenn die Sendung wirklich von Sylt aus moderiert werden soll, muss dort ein komplettes Studio gebaut werden, das an das Funkhaus angebunden sein muss. Das macht man nicht ausschließlich, weil Köthe so gerne auf Sylt ist und man von dort eine eigens produzierte Sendung starten will. Diesen Aufwand nimmt ein Medienhaus nur auf sich, wenn es sich in irgendeiner Weise rechnet.

Ich kenne diese Taktik noch aus meinem Volontariat bei Antenne Koblenz. Auch wir sind damals neu an den Start gegangen, als erstes kommerzielles und verlegerunabhängiges Lokalradio in Rheinland-Pfalz. Gleichzeitig erhöhte der landesweite Mitbewerber seine Aktivität im Sendegebiet: Mehr redaktionelle Mitarbeiter in einem neuen Studio, mehr Veranstaltungen und mehr Vertriebsmitarbeiter. Am Ende hat der Hörer profitiert: Die Programmqualität hat sich durch die Anwesenheit des neuen Lokalradios stark verbessert. (Da finde ich nur leider gerade den Link zur Studie nicht.) Mal abwarten, ob sich das auch für Sylt eines Tages sagen lässt.

Disclosure: Ich habe mehrere Jahre lang als freier Mitarbeiter bei dem Unternehmen gearbeitet, das auch das Programm von RSH veranstaltet. Inzwischen bin ich freier Mitarbeiter beim NDR.